mind.in.a.box interview:

mind.in.a.box - Interview for magazine 'Zillo 06/2005', Interviewer:'Marc Urban', about: 'Dreamweb', Date: 2005-06-01
 
Link: Zillo 06/2005
 
In den MIAB-Kosmos sind nun auch Gitarren eingezogen. Wann und warum habt Ihr dieses Element für Euch entdeckt?
Wir hören beide neben elektronischer Musik auch sehr viel „Gitarrenmusik“. Ich denke, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ich ein wenig davon auch in unsere Musik integrieren wollte. Am Fokus von mind.in.a.box auf elektronische Musik wird sich aber dadurch nichts ändern. Dafür sind meine Wurzeln im elektronischen Bereich zu stark gefestigt. Aber wer weiß... ich experimentiere sehr gerne, und wer weiß schon was als nächstes kommen mag.
 
Wieso passt die Gitarre zu „Dreamweb“, aber noch nicht zu „Lost Alone“?
Die Geschichte von „Lost Alone“ wird in „Dreamweb“ fortgesetzt, allerdings bekommt man schon deutlich mehr Einblick in die Gedankenwelt des „Verfolgers“. Passend zu dieser Erweiterung der Erzählperspektive wollte ich den Sound von „Dreamweb“ ein wenig rauer gestalten als bei „Lost Alone“. Ich denke, die Bandbreite des gesamten Sounds ist dadurch noch größer geworden. Dadurch hatte ich zusätzliche Bewegungsfreiheit, eine bestimmte Stimmung zu erzeugen. Auf rein elektronische Songs wollte ich aber natürlich auch nicht verzichten, und so hat Dreamweb denke ich doch auch diesen Science-Fiction Charme von „Lost Alone“, obwohl hin und wieder echte Gitarren zu hören sind. Es hat auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht auch mit E-Gitarre zu arbeiten.
 
Ihr habt dem Album diesmal eine Single vorangestellt. In meinen Augen ein ungewöhnlicher Schritt, weil MIAB dank „Lost Alone“ ja bereits etabliert ist und auch eher auf Albumlänge funktioniert. Warum habt Ihr „Certainty“ aus dem Album herausgelöst?
Wir denken, es ist ein interessantes Experiment, wie sich unsere, für einen Club doch eher ungewöhnliche, Musik in diesem Bereich behaupten können wird. In der fortlaufenden miab-Geschichte hat Clubmusik auch einen ganz wichtigen Stellenwert, der in Zusammenhang mit dem Netz aus Träumen, dem „Dreamweb“ steht. In den Songs „Dead End“ und „Reflections“ wird dieser Zusammenhang schon angedeutet, wir werden darauf aber vor allem auch in Zukunft aufbauen. Auf „Dreamweb“ muß man dafür zwar zwischen den Zeilen lesen, aber in der Welt von miab, in der unsere Songs spielen, hat Clubmusik eine ganz besondere Bedeutung. Der Track „Certainty“ ist wahrscheinlich einer der club-tauglichsten Songs auf dem Album, und er spielt gleichzeitig auch auf die Unsicherheit von Dingen an, die sich ständig ändern können.
 
Bei „Lost Alone“ ging es um verschiedene Facetten von Isolation und Einsamkeit, bei „Dream Web“ scheint es um Träume und Wahrnehmungen zu gehen. Inwieweit ist „Dream Web“ die inhaltliche Fortsetzung von „Lost Alone?
„Dreamweb“ ist der nächste größere Abschnitt der Geschichte, die wir in „Lost Alone“ begonnen haben. Aber auch in rein emotionaler Hinsicht gibt es einen sehr logischen Übergang zwischen den beiden Alben. Ging es in „Lost Alone“ noch darum, einsam und verloren zu sein, beginnen die Charaktere auf „Dreamweb“ mit einer Suche nach diesem Netz der Träume, die letztendlich eine Suche nach sich selbst ist, um eben dieser Einsamkeit zu entkommen. In „Dreamweb“ geht es um verlorene Träume, Träume denen man sein Leben lang nachläuft, um Träume die man schon längst aufgegeben hat. Es geht um die Macht dieser Träume, und darum, dass es eines der wichtigsten Ziele ist, sie zu verwirklichen und nicht aufzugeben.
 
Bei „Lost Alone“ stand als letzter Track „Leave“, der die Option des Ausbrechens beinhaltete. Auf „Dream Web“ bildet der ähnlich gelagerte Track „Escape“ ebenfalls eine solche Option. Ist das Ende bei MIAB immer offen? Und wird damit gleichzeitig stets eine thematische Brücke zum kommenden Album geschlagen (denn nur wer entkommt, kann ja weitermachen...)?
Das Ausbrechen generell, sei es aus einer bestimmten Lebenssituation, oder einer gesamten „Welt“, ist ein zentrales Konzept von mind.in.a.box. Insofern haben wir auch versucht, dieses zentrale Konzept an das Ende der beiden Alben zu stellen und gleichzeitig eine Verbindung zum folgenden Album zu schaffen, das auch sehr viel offen lässt.
 
Ihr habt unlängst auch Theatermusik geschrieben. Wie kam es dazu?
Der Kontakt kam über meine Freundin zustande. Sie macht PR für eine junge Theatergruppe in Wien, und das letzte Stück spielte in einem Science-Fiction Setting. Ich schrieb dann eine Musik, die zu dem Prolog des Stückes gespielt wurde. Im Stück selbst wurden instrumentale Versionen von „Lost Alone“ gespielt. Das war wirklich interessant und eine schöne Abwechslung.
 
Und wäre das ein Feld – oder auch Filmmusik – das Euch generell reizen würde? Für Sci-Fi-Filme a la „2001“ oder “Solaris” wäre Eure Musik ja eigentlich prädestiniert: technisch, nachdenklich, tiefgründig....
Auf jeden Fall. Es würde mich sehr reizen, so etwas mal zu machen. Meiner Meinung nach gibt es viel zu wenige Science-Fiction Filme mit elektronischer Musik, die auch danach klingt. Mir fällt jetzt auf Anhieb nur Bladerunner ein. Ich habe hier das Gefühl, dass in diesem Bereich einfach wenig riskiert wird und sicherheitshalber immer auf Orchestermusik zurückgegriffen wird. Die ist zwar extrem ausdrucksstark und zeitlos, aber ich denke es gibt sehr viele Menschen, die hier auch gerne öfter elektronische Sounds hören würden. Vielleicht bekomme ich ja mal die Gelegenheit dazu so etwas zu machen.
 
„Dreamweb“ ist ja ein Kunstwort, das es so im Englischen überhaupt nicht gibt. Welche Bedeutung hat das Wort und hätte es keinen bereits existierenden Begriff gegeben, der genau das ausdrückt, was Ihr sagen wolltet?
Wir wollten ein Kunstwort, das eine Verbindung von Träumen beschreibt, und damit eine Verbindung von träumenden Menschen, und auch gleichzeitig eine gesamte Welt, die aus Träumen besteht. Ich denke, dass ein eigentlich so nicht direkt existierendes Wort sehr viel mehr beinhalten kann, als etwas, mit dem man sofort etwas Bestimmtes verbindet. Schon auf „Lost Alone“ ist der Albumtitel eine Zusammensetzung von bekannten Worten, die in dieser Formulierung aber auch nicht wirklich üblich sind. Dort wollten wir damit gleichzeitig viele verschiedene Varianten ausdrücken verloren zu sein, allein zu sein, und auch die Verbindung von diesen beiden Dingen. Auch der Begriff „Dreamweb“ soll die Vielfalt der Dinge und der Träume auf unserem zweiten Album zum Ausdruck bringen.
 
Wenn so plötzlich solch ein Rummel über einen hereinbricht, wie Euch das nach „Lost Alone“ ergangen ist, ist man da irgendwann auch mal satt oder genervt? Oder findet Ihr es nach wie vor spannend, den Leuten MIAB und Eure Musik in Interviews zu erklären?
Ich würde auf jeden Fall sagen, dass es uns sehr gefreut hat, zu sehen wie viel Interesse unsere Musik und unsere Geschichten, aber vor allem auch die Emotionen und Gefühle, die wir thematisieren, ausgelöst hat. Ich denke, ein wesentlicher Teil von mind.in.a.box ist es auch, vielschichtige und vor allem auch individuelle Interpretationen zu ermöglichen. Trotzdem geben wir natürlich auch gerne Einblicke in unsere eigene, ganz persönliche, Sichtweise.